Auswirkungen des EU-USA-Zollabkommens auf den Wirtschaftsstandort Rüsselsheim

11.08.2025 | Anfrage Entdecke Rüsselsheim OPEL STADT NEWS und Radio Rüsselsheim an Oberbürgermeister Patrick Burghardt vom 03.08.2025

Zollabkommen EU USA

 1. Wie bewertet die Stadtspitze die möglichen Auswirkungen des EU-USA-Zollabkommens auf den Wirtschaftsstandort Rüsselsheim, insbesondere in Hinblick auf das Opel-Werk?

Die Stadtspitze verfolgt die Verhandlungen zum EU-USA-Zollabkommen sehr aufmerksam. Grundsätzlich begrüßen wir als Produktions- und Technologiestandort Vereinbarungen, die Handelshemmnisse abbauen.

2. Gibt es konkrete Einschätzungen, wie sich das Abkommen auf die Beschäftigung am Standort Rüsselsheim auswirken könnte?

Konkrete Prognosen sind für uns als Kommune derzeit schwierig. Gleichwohl ist die Sorge berechtigt, dass sich international wettbewerbsverzerrende Regelungen negativ auf die Auslastung und Beschäftigung in Rüsselsheim auswirken könnten. Die Automobilbranche mit ihren Zulieferern ist ohnehin wirtschaftlich extrem angeschlagen und die Auswirkungen bekommen wir schon heute zu spüren.  (Opel / Segula Technologies)  

3. Befürchtet die Stadt eine weitere Verlagerung von Produktion und Arbeitsplätzen ins Ausland?

Diese Befürchtung besteht grundsätzlich immer, wenn internationale Rahmenbedingungen den Standortnachteil Deutschlands gegenüber anderen Regionen verstärken. Wir setzen uns daher gemeinsam mit anderen Standorten für eine industriepolitisch aktive Bundes- und Landespolitik ein, die den Standort Rüsselsheim stärkt und für langfristige Investitionen attraktiv hält. 

4. Welche unmittelbaren und mittelbaren Folgen erwarten Sie für die städtischen Finanzen, insbesondere für die Entwicklung der Gewerbesteuereinnahmen?

Ein Rückgang der Produktion oder Beschäftigung bei unseren ansässigen Unternehmen hat unmittelbare Auswirkungen auf die Gewerbesteuereinnahmen – sowohl direkt durch das Unternehmen als auch über das gesamte Cluster und Wertschöpfungsketten. Wir müssen vorsorglich mit weiteren Einbußen rechnen, was uns stark belastet. Das Problem wird durch stetig steigende Ausgaben weiter potenziert und die Einnahmen aus der Gewerbesteuer können diese Kosten bei der aktuellen Wirtschaftsentwicklung nicht mehr auffangen.

5. In den letzten Jahren war der Gewerbesteuerzufluss von Opel bereits rückläufig und schwankte stark. Wie bereitet sich die Stadt darauf vor, falls sich diese Entwicklung angesichts neuer internationaler Rahmenbedingungen verschärft?

Die Stadt hat bereits begonnen, die Haushaltsstruktur zu diversifizieren und plant keine mittelfristige Haushaltsstabilität auf Basis einzelner Großunternehmen. Parallel dazu verfolgen wir aktiv Förderprogramme, regionale Entwicklungskonzepte und Gespräche zur Ansiedlung neuer Branchen.

Wir müssen uns für die Zukunft breiter und resilienter aufstellen, die Weichen dafür haben wir bereits gestellt. Mit den ehemaligen Opelflächen auch eine hervorragende Ausgangslage und enormes Potential – aber das sind langfristige Entwicklungen, die erst in einigen Jahren erste Früchte tragen werden.

6. Gibt es Maßnahmen oder Strategien der Stadt, um die finanzielle Abhängigkeit vom lokalen Automobilstandort zu verringern oder auszugleichen?

Ja, wir arbeiten aktiv an einer wirtschaftlichen Diversifizierung. Dazu gehört unter anderem die Förderung von Technologie- und Start-up-Zentren, die Ansprache neuer Branchen und Strukturen. Wir sind als Verwaltung wesentlich agiler geworden, um auch im Sinne der Wirtschaft handlungsfähig zu sein und den Standort gemeinsam für die Akteure zu entwickeln. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch Opel mit den noch zu veräußernden Arealen als auch die VGP als neue Eigentümerin von über 70 ha. Wir arbeiten sehr eng zusammen, was ich sehr schätze und worauf wir belastbar aufbauen können.

Wir vermarkten Rüsselsheim nicht mehr nur regional, sondern auf allen Ebenen – national bis international (-> Indien).

Darüber hinaus sind wir im Gespräch mit Ansiedelungen aus Branchen die für uns heute völlig „Out of the Box“ kommen, die nächsten Monate werden zeigen wie wir uns hier etablieren können.

Last but not least zeigen auch unsere Anstrengungen in Richtung Wasserstoff-Stadt Rüsselsheim, dass wir es uns als Aufgabe gesetzt haben, auf kommunaler Ebene Industrie und Gewerbe neu zu denken.

7. Wie bewertet die Stadtverwaltung die Risiken für die lokalen Wirtschaftskreisläufe (Zulieferer, Dienstleister, Gastronomie etc.), die eng mit Opel verknüpft sind?

Die Risiken sind erheblich. Viele lokale Betriebe hängen direkt oder indirekt vom Fortbestand und der Auslastung des gesamten Automotive Cluster ab. Das fängt bei der Gastronomie an und geht bis zu den Unternehmen selbst. Daher sehen wir hier eine besondere Verantwortung, die Wirtschaft vor Ort zu stärken, indem wir eigene Impulse für die weitere Entwicklung setzen – wie z.B. die Alte Schmiede.

8. Werden Unterstützungsmaßnahmen für betroffene Unternehmen geprüft?

Wir begleiten unsere Unternehmen und sind im engen Austausch, um gemeinsam Lösungen zu finden und unseren Beitrag als Kommune zu leisten.

Allerdings müssen wir hier noch viel stärker Bund und Länder adressieren, da die meisten Ursachen eben auf übergeordneter Ebene liegen – politisch wie ökonomisch. Da ist jetzt wirklich allerhöchster Handlungsbedarf.

9. Welche Rolle kommt dem Land Hessen oder dem Bund in diesem Zusammenhang zu?

Das Land und der Bund haben eine entscheidende Rolle – sowohl bei der industriepolitischen Ausrichtung als auch bei der finanziellen Unterstützung von Industriestandorten. Wir erwarten, dass insbesondere strukturschwächere Kommunen wie Rüsselsheim aktiv gestützt und in Transformationsprozesse eingebunden werden. Auch, dass kommunale Entwicklungen stärker in einem Gesamtbild mit der Wirtschaft betrachtet und behandelt werden.

10. Mit welchen politischen Initiativen oder Forderungen begegnet die Rüsselsheimer Stadtpolitik den neuen Herausforderungen durch die veränderten globalen Standortbedingungen im Automobilsektor?

Wir fordern verstärkte Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Innovation. Aber auch die Aufenthaltsqualität wollen wir steigern, um den Wohnstandort für zukünftige Arbeitnehmer noch attraktiver zu gestalten. Und das ist für alle Bereiche wichtig.

11. Gibt es Gespräche oder Abstimmungen mit anderen betroffenen Kommunen, dem Land Hessen oder den Unternehmensleitungen? Welche Erwartungen haben Sie an die Bundespolitik, um Industrieregionen wie Rüsselsheim und deren öffentliche Haushalte zu stabilisieren?

Ja, es gibt regelmäßig Abstimmungen mit anderen Kommunen, der Landesregierung sowie Vertretern der Wirtschaft. Von der Bundespolitik erwarten wir verlässliche Rahmenbedingungen, gezielte Fördermittel und eine klare industriepolitische Vision für die Produktionsstandorte in der Transformation. Um im Verbund mit anderen Kommunen unsere Forderungen zu adressieren, habe ich mich vor einigen Monaten auch dem Bündnis „Bürgermeister für einen starken Automobilstandort Deutschland“ angeschlossen.

Fazit & Schlusswort der Stadt Rüsselsheim zur aktuellen Lage

Der Wirtschaftsstandort Rüsselsheim steht vor einem enormen strukturellen Wandel mit hoher Dynamik. Dabei sehen wir uns vielen Herausforderungen gegenüber wie z.B. dem EU-USA. Als Stadt sind wir uns der Risiken für Industrie, Arbeitsplätze und kommunale Finanzen bewusst – und handeln vorausschauend. Wir bauen wirtschaftliche Abhängigkeiten gezielt ab, fördern neue Branchen und stärken die Widerstandsfähigkeit unserer lokalen Wirtschaft.

Die Transformation der Automobilbranche sowie anderer Gewerbe und Industriezweige ist eine nationale Aufgabe – ihre sozialen und wirtschaftlichen Folgen spüren wir aber zuerst auf kommunaler Ebene. Wir sind bereit, unseren Beitrag zu leisten – erwarten aber auch klare Signale und konkrete Hilfe von der Bundes- und Landespolitik.

Dabei richten wir den Fokus aber primär auf die Chancen, die sich mit den neuen Prozessen eröffnen. Wir haben enorme Potential durch unsere zentrale Lage inmitten einer der stärksten Wirtschaftsregionen und einem einzigartigen Flächenangebot. Darauf können wir im wahrsten Sinne des Wortes aufbauen und das werden wir auch tun.

Rüsselsheim ist eine Stadt mit starker industrieller Tradition – geprägt durch Generationen von Menschen, die hier gearbeitet, produziert und gelebt haben. Doch wir stehen vor einem tiefgreifenden Wandel, der viele verunsichert: internationale Handelsabkommen, neue globale Regeln und ein sich verändernder Automobilsektor werfen Fragen auf – über die Zukunft von Opel, von Arbeitsplätzen und von unserer wirtschaftlichen Basis.

Diese Sorgen nehmen wir sehr ernst. Wir handeln verantwortungsvoll, vorausschauend – und wir kämpfen dafür, dass Rüsselsheim auch in Zukunft ein starker, lebenswerter und wirtschaftlich gesunder Standort bleibt.

Was Rüsselsheim immer ausgezeichnet hat, war Zusammenhalt – zwischen Menschen, Betrieben, Stadtverwaltung und Politik. Genau diesen Zusammenhalt brauchen wir jetzt. Die Stadt kann viel tun – und wir tun es. Aber wir brauchen auch klare Unterstützung vom Land und vom Bund. Denn die Herausforderungen, vor denen wir stehen, können wir nur gemeinsam bewältigen.

Unsere Botschaft ist klar: Rüsselsheim hat Zukunft – aber sie fällt uns nicht in den Schoß. Wir müssen sie gemeinsam gestalten. Für unsere Arbeitsplätze, für unsere Unternehmen, für unsere Kinder – und für das, was unsere Stadt seit jeher stark macht: Mut, Innovation und ein klares Miteinander.

Anfrage Entdecke Rüsselsheim OPEL STADT NEWS und Radio Rüsselsheim an Oberbürgermeister Patrick Burghardt vom 03.08.2025. Bearbeitet von Achim Weidner


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